Orgel-Steinmann an der Salzuflener Straße Nr. 160. Foto: 2010.

 

 

 

Fortsetzung:

 

Faszination zu seinem Beruf hatte ihn ergriffen. Noch während seiner Lehrjahre hatte er sich mit Privatunterricht in Deutsch, Rechnen, Zeichnen und Musik weiterbilden lassen. Ein Klavier musste er sich mieten. Sein Ehrgeiz, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzukommen und die eigenen Vorstellungen verwirklichen zu können, führte dazu, im Jahre 1910 in Wehrendorf eine eigene Orgelhaufirma zu gründen.

 

Die wirtschaftlichen Voraussetzungen waren zwar nicht ideal, denn Startkapital war in dem Sinn nicht vorhanden. Doch hatte die bekannte Herforder Orgelbaufirma Meyer, deren Orgeln einen sehr guten Namen hatten, aufgehört zu existieren. Diese Lücke galt es zu schließen. Mit einem Tischler und einer Lehrkraft baute Gustav Steinmann das erste Orgelwerk für die evangelisch-lutherische Kirche in Greven bei Münster. Die Einweihung des „Opus 1" in der Firmengeschichte erfolgte zu Pfingsten 1911.

 

Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges, der die Produktion zum Erliegen brachte, waren acht weitere Orgeln entstanden und die Firma bereits durch den Bau einer neuen Werkstatt und eines Wohnhauses erweitert worden. Die Mitarbeiterzahl war auf stattliche zehn angestiegen.

 

Gustav Steinmann hatte zwar noch den klassischen Orgelbau kennengelernt, aber seine Ausbildung war nach dem modernen Orgelbau ausgerichtet. Hier hatte mit Beginn des 20. Jahrhunderts Luftdruck- und Elektrotechnik Einzug gehalten. Auch war man von klassischen Werkstoffen wie Edelhölzern, Kupfer und Blei-Zinnlegierungen auf einfachere Stoffe übergegangen. Ebenso waren Veränderungen in der Pfeifenzusammenstellung zu den einzelnen Klangregistern vorgenommen worden. Das Klangbild der klassischen Orgel hatte sich nicht zum Vorteil verändert. Die moderne Technik war wenig ausgereift.

 

Steinmann studierte in den folgenden Jahren bei Restaurierungen und Renovierungen den Bau der alten Orgeln und kam zu der Erkenntnis, dass nur die Technik des Barock und der Klassik das Klangbild brachte, das der Fachwelt als Ideal vorschwebte. Bis zu Beginn des zweiten Weltkrieges verfolgte er konsequent diesen Weg. Sein Mitarbeiterstab hatte sich zeitweise sogar auf vierzig erhöht, pendelte sich aber auf dreißig ein. Von 1920 bis 1935 baute er auch 1500 Harmonien. Die Produktion wurde dann aber mangels Nachfrage eingestellt. Eine Zweigniederlassung entstand 1938 in Dessau

 

Der Meisterbrief von Gustav Steinmann jun. aus dem Jahr 1932.

(Sachsen-Anhalt), die aber nach Kriegsende verloren war. 1932 verunglückte der für die Nachfolge vorgesehene Sohn Friedrich tödlich. Bis 1940 hatten 115 Orgeln die Werkstatt in Wehrendorfverlassen. Kirchen in der näheren Umgebung, in Nordwestdeutschland und in fernen Ländern wie Südafrika, Venezuela und den Philippinen erhielten Steinmann-Orgeln. Ob es im Himmel auch so reine und schöne Klänge gebe, hatte damals ein schwarzer Südafrikaner gefragt, der beim Aufbau einer Orgel assistierte.

 

Als Gustav Steinmann am 5. Januar 1953 starb, hatte sich die Umorientierung im Orgelbau vollzogen.

 

Die 195. Orgel hatte die Werkstatt verlassen, und der Firmenname war in der Fachwelt zum Begriff geworden. Gustav Steinmann hatte seine Vorstellungen richtungsweisend durchsetzen können, was die ausgezeichneten Gutachten der Fachwelt beweisen. Er wollte als gläubiger Christ Mitarbeiter am Psalm 150 sein, leitete seit 1910 auch viele Jahre den Wehrendorfer Kirchenchor und hatte sein Lebenswerk als Gottesdienst verstanden, wie sein Grundsatz verdeutlicht: „Orgelbauen soll Gott zur Ehre und den Menschen zur Erbauung dienen."

 

Als der Zweitälteste Sohn den väterlichen Betrieb übernahm und offiziell den Vornamen des Vaters (Gustav jun. *1913 †1997) annahm, begann auch im Orgelbau der wirtschaftliche Aufschwung, da viel durch den Krieg zerstört worden war. Sohn Gustav hatte beim Vater nach seinem Abitur 1933 gelernt und leitete ab 1938 die Filiale in Dessau. Zuvor besuchte er die Meisterschule in Ludwigsburg.

 

Mit dem Aufschwung ergaben sich nicht nur Erweiterungen des Betriebes, sondern auch verstärkte Forschung und Zusammenarbeit mit Orgelwissenschaftlern sowie Untersuchungen der technischen Einrichtungen, der Materialwahl und der Legierungen der Metallpfeifen. Wichtig waren auch architektonische Fragen, die mit akustischen, musikalischen Qualitätsansprüchen optimal verbunden werden mussten. Jahrzehntelange Erfahrung an Orgeln aus dem 18. Jahrhundert, die die Firma oft restauriert hatte, brachten auch hier Aufträge ins Haus. Gemeinsam mit dem Landesdenkmalamt, Architekten und Kirchenvorständen konnte manches schöne Stück erhalten oder eine neue Orgel in alte Kirchen eingepasst werden. Als Gustav Steinmann 1978 in den Ruhestand trat, übergab er seinem Sohn Hans-Heinrich (geb. 1938 ) einen wirtschaftlich gesunden und

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Jan-Henrich Steinmann, er führt die Firma in der vierten Generation. Foto: 2010.

 

auch in der internationalen Fachwelt bekannten Betrieb mit 640 Quadratmetern Arbeitsraum sowie den Auftrag für die 556. Orgel der Steinmannära.

 

Auf den Sohn, der dritten Generation des Familienbetriebes, warteten neue Aufgaben. Die Neubauaufträge gingen zurück, während Umbauten, Generalüberholungen und Restaurierungen in den Vordergrund rückten. Im Jubiläumsjahr (1985) unserer Stadt und der Firma Steinmann hat die 618. Orgel den Weg von Wehrendorf zu ihrer Bestimmungskirche angetreten. Auch scheint die vierte Generation der Firma gesichert zu sein, die die Kunst des Orgelbaus weiterführt. Der Grundsatz des Gründers ist bis heute erhalten geblieben und war Leitfaden für die Arbeit seiner Nachfolger. Im Jahr 2000 trat Jan-Henrich Steinmann (geb. 1972) die Nachfolge an. Trotz maschineller Hilfe ist Orgelbau auch heute nicht nur Handwerk, sondern gestaltende Kunst. Heute (2010) beschäftigt die Firma Orgel-Steinmann 3 Personen.

 

 

Bereits 1726 erkannte der Musikschriftsteller Jakob Adlung (1699-1762):

„Die Orgelmacherkunst Sie erfordert einen guten Grund in der Mathematik, weil sie stets mit Aus- und Abmessungen zu thun hat. Es gehören viel Handwerke dazu. Es muß einer ein guter Tischler, Klempner, Schmied usw. sein. Nicht weniger muß auch ein guter Orgelmacher die Metalle und Holzarten aus der Physik verstehen; er muß drechseln können; sonderlich aber wird erfordert, daß er die Architektur gründlich inne habe. Es haben auch die Orgelmacher desfalls besondere Privilegia, und heißet die Sache kein Handwerk, sondern eine Kunst.“

 

Peter Sundermann

 

Dieser Text wurde mit freundlicher Genehmigung (Lothar Stöpel und Peter Sundermann),

dem Buch „800 Jahre Vlotho“ (1985) entnommen.  Dieses Buch ist nicht mehr im Handel erhältlich.

 

 

 

 

Moderne Maschinen, eine gut ausgestatte Werkstatt und langjährige Mitarbeiter, wie hier bei Orgel-Steinmann, sind für die Herstellung hochwertiger Produkte die Voraussetzung.

Rechts: Jan-Henrich Steinmann.

 

 

Links: Eine Orgel die zurzeit (2010) überholt wird.

Rechts: Frank Wilmsmann, der bereits seit 1979 hier beschäftigt ist, bearbeitet ein defektes Orgelteil aus dem Schloss in Detmold.