Die Villa Schöning: „Schloß" und
„Wahrzeichen" der Stadt
Der Architekt
Einst ein stolzes Gebäude, heute
eine Ruine - so möchte man sagen, wenn man die alten Fotos der
Schöningsehen Villa auf dieser Seite sieht. Das historische
Foto, dass die Villa kurz nach ihrer Erbauung zeigt, stammt aus
der Werbemappe des Architekten Köster, der dieses Gebäude
plante, konstruierte und den Bau überwachte. Von ihm stammt auch
die Saatmannsche Villa an der Kirchstraße. Köster war ein
bekannter Architekt aus Herford. Er war um 1892 aus dem
bergischen Land in die Ravensberger Kreisstadt gekommen. Köster
war Spezialist für den Bau von Tabakfabriken. Er baute die erste
Fabrik der Firma Hoening und Schöning, die allerdings nach einem
Brand durch den jetzt noch bestehenden Bau ersetzt wurde. Seine
Profession brachte ihm allerdings neben dem Industriebau auch
den einen oder anderen Auftrag für einen Repräsentations- und
Wohnbau der Tabak- und Zigarrenfabrikanten ein - wie die beiden
Villen in Vlotho. Sein Talent für solche Bauten sprach sich
offenbar herum, er hatte den Geschmack der Zeit getroffen. So
baute er das Amtshaus der Amtsverwaltung Herford-Hiddenhausen,
Fabrikantenvillen in Herford und anderes mehr. Auch die Petrie-Kirche in Herford stammt von seinem Reißbrett. Darüber
hinaus hocherrschaftliche Paläste in Wiesbaden. Köster war bis
in die 1930 Jahre in unserer Gegend tätig.
1898 war er von Willi Schöning
engagiert worden, die Villa am Hang des Amtshausberges zu
errichten. Es wurde ein Prachtbau, wie er um die
Jahrhundertwende beliebt war, wenn man ihn sich leisten konnte.
Der wirtschaftliche Aufschwung nach dem Krieg 1870/71, die
„Gründerzeit", brachte diesen Baustil mit sich. Die Epoche wurde
oft auch als „Feudalzeit" bezeichnet, da sich in den Bauten die
wiederbelebte Feudalpracht längst vergangener Zeiten ausdrückte.
Die Räume waren hoch und riesig. Sie waren mit teuren Tapeten,
prachtvollen Deckengemälden und wertvollen Kassettendecken
geschmückt. |
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Die Einrichtung
So auch in der Villa des
Zigarrenfabrikanten Schöning. Sie wurde l 898/99 gebaut und 1900
bezogen. Danach wurde das alte Schöningsche Haus, das halbrechts
unter der Villa stand, abgerissen. Die Villa hatte 15 bewohnte
Zimmer und einige Wirtschaftsräume und Nutzräume. Vom Geschmack
der Zeit künden die Einrichtungen, die
auf dem Foto zu sehen sind. Schwere Möbel, vertäfelte
Wände und Holzdecken, die die hohen Räume abschlossen. Kurgäste,
die mit der Bahn in Vlotho anreisten, lobten nicht selten „das
schöne Schloß von Vlotho", wenn sie die Villa
erblickten. „Bubi" Tölle,
legendärer Zeitungsreporter für das Wochenblatt, nannte die
Villa „das Wahrzeichen von Vlotho".
Der Umbau
Im Dezember 1924 starb der
Bauherr. Sein Sohn Julius passte die Villa den damals modernen
Wohngegebenheiten an. Die |
Blick von der Galerie auf den
Durchbruch zum Musiksalon. Foto: um 1979. |
Decken wurden gesenkt, die Küche
vom Sousterrain auf die Wohnetage verlegt. Die freien Loggien wurden
geschlossen und zu Wohnräumen umfunktioniert, der Eingang
verlegt. Die Diele wurde durch eine Bogengalerie zum Musikzimmer
hin erweitert, wie sich Annemarie von Lengerke und Dieter
Schöning, die Kinder von Julius Schöning erinnern. |
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Die Besatzung
Die Familie Schöning bewohnte das
Haus bis zum Jahre 1945. Dann wurde es zunächst von den
Amerikanern, später von der britischen Besatzungsmacht
übernommen. Binnen drei Stunden mussten Schönings ihr Haus beim
Einmarsch der Alliierten geräumt haben. Die gesamte Belegschaft
der Zigarrenindustrie half dabei. 1950 verließ das englische
Rote Kreuz als letzte Einheit der Besatzungstruppe die Villa.
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Ein späteres Foto von der Villa. |
Der Niedergang
1950 verkaufte Julius Schöning das
Haus an die Arbeiterwohlfahrt (AWO).
Die Villa wurde zum Altenheim „Haus Schönblick“
ausgebaut, in der etwa 50 Personen ein neues Zuhause fanden.
Im Jahr 1978 erwarb Erich Kuller die
Villa und nutzte sie als Altenheim bis es 1981 zur
Zwangsschließung kam. In den folgenden Jahren wechselten die
Eigentümer mehrmals, bis 1988 der Berliner Alois Heim diese
Villa für 200.000 Mark kaufte und Teilrenovierungen vornahm. Die
Villa sollte sein Alterssitz werden, aber daraus wurde nichts.
Alois Heim starb 2006. Das Haus steht seit 1987 komplett
leer und war immer wieder beliebtes Ziel von Vandalen. Darunter
hat es inzwischen sehr gelitten. „Es tut einem weh, wenn man den
Niedergang des Hauses sieht", so die Nachfahren der Familie
Schöning, die noch in Vlotho wohnen. 2007 ging die Villa in den
Besitz der Stadt Vlotho über.
Durch einen Großbrand am 8. April
2011 wurde der gesamte Dachstuhl der Villa ein Opfer der
Flammen. Bereits wenige Tage zuvor kam es zu drei kleinen
Bränden, die von der Feuerwehr rasch gelöscht werden konnten.
Bei allen Bränden vermutet die Polizei Brandstiftung. Vom
einstigen Prachtbau bleibt nur noch eine Ruine.
Im Juli 2013 kam das endgültige
Aus, die Villa wurde abgerissen. |
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