Eines der ersten Bilder von der Villa Schöning. Foto: nach 1900.

Rechts, Haus Schöning Lange Straße Nr. 23 (Mieter Janke).

 

 

 

Die Villa Schöning: „Schloß" und „Wahrzeichen" der Stadt

 

Der Architekt

Einst ein stolzes Gebäude, heute eine Ruine - so möchte man sagen, wenn man die alten Fotos der Schöningsehen Villa auf dieser Seite sieht. Das historische Foto, dass die Villa kurz nach ihrer Erbauung zeigt, stammt aus der Werbemappe des Architekten Köster, der dieses Gebäude plante, konstruierte und den Bau überwachte. Von ihm stammt auch die Saatmannsche Villa an der Kirchstraße. Köster war ein bekannter Architekt aus Herford. Er war um 1892 aus dem bergischen Land in die Ravensberger Kreisstadt gekommen. Köster war Spezialist für den Bau von Tabakfabriken. Er baute die erste Fabrik der Firma Hoening und Schöning, die allerdings nach einem Brand durch den jetzt noch bestehenden Bau ersetzt wurde. Seine Profession brachte ihm allerdings neben dem Industriebau auch den einen oder anderen Auftrag für einen Repräsentations- und Wohnbau der Tabak- und Zigarrenfabrikanten ein - wie die beiden Villen in Vlotho. Sein Talent für solche Bauten sprach sich offenbar herum, er hatte den Geschmack der Zeit getroffen. So baute er das Amtshaus der Amtsverwaltung Herford-Hiddenhausen, Fabrikantenvillen in Herford und anderes mehr. Auch die Petrie-Kirche in Herford stammt von seinem Reißbrett. Darüber hinaus hocherrschaftliche Paläste in Wiesbaden. Köster war bis in die 1930 Jahre in unserer Gegend tätig.

1898 war er von Willi Schöning engagiert worden, die Villa am Hang des Amtshausberges zu errichten. Es wurde ein Prachtbau, wie er um die Jahrhundertwende beliebt war, wenn man ihn sich leisten konnte. Der wirtschaftliche Aufschwung nach dem Krieg 1870/71, die „Gründerzeit", brachte diesen Baustil mit sich. Die Epoche wurde oft auch als „Feudalzeit" bezeichnet, da sich in den Bauten die wiederbelebte Feudalpracht längst vergangener Zeiten ausdrückte. Die Räume waren hoch und riesig. Sie waren mit teuren Tapeten, prachtvollen Deckengemälden und wertvollen Kassettendecken geschmückt.

 

Die Einrichtung

So auch in der Villa des Zigarrenfabrikanten Schöning. Sie wurde l 898/99 gebaut und 1900 bezogen. Danach wurde das alte Schöningsche Haus, das halbrechts unter der Villa stand, abgerissen. Die Villa hatte 15 bewohnte Zimmer und einige Wirtschaftsräume und Nutzräume. Vom Geschmack der Zeit künden die Einrichtungen, die auf dem Foto zu sehen sind. Schwere Möbel, vertäfelte Wände und Holzdecken, die die hohen Räume abschlossen. Kurgäste, die mit der Bahn in Vlotho anreisten, lobten nicht selten „das schöne Schloß von Vlotho", wenn sie die Villa erblickten. „Bubi" Tölle, legendärer Zeitungsreporter für das Wochenblatt, nannte die Villa „das Wahrzeichen von Vlotho".

 

Der Umbau

Im Dezember 1924 starb der Bauherr. Sein Sohn Julius passte die Villa den damals modernen Wohngegebenheiten an. Die

 

Blick von der Galerie auf den Durchbruch zum Musiksalon. Foto: um 1979.

Decken wurden gesenkt, die Küche vom Sousterrain auf die Wohnetage verlegt. Die freien Loggien wurden geschlossen und zu Wohnräumen umfunktioniert, der Eingang verlegt. Die Diele wurde durch eine Bogengalerie zum Musikzimmer hin erweitert, wie sich Annemarie von Lengerke und Dieter Schöning, die Kinder von Julius Schöning erinnern.

 

Die Besatzung

Die Familie Schöning bewohnte das Haus bis zum Jahre 1945. Dann wurde es zunächst von den Amerikanern, später von der britischen Besatzungsmacht übernommen. Binnen drei Stunden mussten Schönings ihr Haus beim Einmarsch der Alliierten geräumt haben. Die gesamte Belegschaft der Zigarrenindustrie half dabei. 1950 verließ das englische Rote Kreuz als letzte Einheit der Besatzungstruppe die Villa.

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Ein späteres Foto von der Villa.

 

Der Niedergang

1950 verkaufte Julius Schöning das Haus an die Arbeiterwohlfahrt (AWO).  Die Villa wurde zum Altenheim „Haus Schönblick“ ausgebaut, in der etwa 50 Personen ein neues Zuhause fanden. Im Jahr 1978 erwarb Erich Kuller die Villa und nutzte sie als Altenheim bis es 1981 zur Zwangsschließung kam. In den folgenden Jahren wechselten die Eigentümer mehrmals, bis 1988 der Berliner Alois Heim diese Villa für 200.000 Mark kaufte und Teilrenovierungen vornahm. Die Villa sollte sein Alterssitz werden, aber daraus wurde nichts. Alois Heim starb 2006. Das Haus steht seit 1987 komplett leer und war immer wieder beliebtes Ziel von Vandalen. Darunter hat es inzwischen sehr gelitten. „Es tut einem weh, wenn man den Niedergang des Hauses sieht", so die Nachfahren der Familie Schöning, die noch in Vlotho wohnen. 2007 ging die Villa in den Besitz der Stadt Vlotho über.

 

Durch einen Großbrand am 8. April 2011 wurde der gesamte Dachstuhl der Villa ein Opfer der Flammen. Bereits wenige Tage zuvor kam es zu drei kleinen Bränden, die von der Feuerwehr rasch gelöscht werden konnten. Bei allen Bränden vermutet die Polizei Brandstiftung. Vom einstigen Prachtbau bleibt nur noch eine Ruine.

 

Im Juli 2013 kam das endgültige Aus, die Villa wurde abgerissen.